56579 mit Spreizgas

Wenn das Frühjahr erwacht, die ersten sonnigen Wochenenden angekündigt werden, drehen viele von unserer Zunft etwas höher. Man freut sich einfach, die sich im Winter ansammelnden Fotopunkte fern der Heimat umzusetzen. So auch am 24. April 1994. Ich wollte den „stinknormalen“ Kohle-Gag 56579 von Zeitz nach Jena zweimal fotografieren. An diesem Tag wurde er mit 220 234 bespannt.

Die Verfolgung begann gleich nach dem Klicken des Auslösers.

Das erste Foto gelang in Zeitz-Zangenberg, als er unter Volllast die Rampe hinaufschlich und die Brücke überquerte. Nachdem die Strecke frei war, wusste ich, dass er bis Weißenfels durchheizt, in dieser Stadt Kopf macht und über die Hauptbahn bis Jena seine Höchstgeschwindigkeit voll ausnützen wird. Vor mir lag eine unbekannte, teilweise gepflasterte und sandige, Schotterpiste, die in 30 Minuten ohne Navigationssystem zurückgelegt werden musste.

Was ist Spreizgas?

Man war früher der Meinung, wenn man sich zwischen Stuhl und Gaspedal einspreizte, fährt das Auto schneller. So kam es schon mal vor, dass unter Anspannung das Gaspedal mit 10 Kilogramm belastet wurde und ein Muskelkater die Folge war. Also ging es los. Ziemlich zügig verlies ich Zeitz, um mich mit der Landkarte bis Dornburg durchzuwurschteln. Der Kassetten-Rekorder im Auto spuckte die Kassette mit Bandsalat aus, da die Geschwindigkeit für das Kopfsteinpflaster wohl zu hoch war. Die Stoßfänger hatten reichlich Arbeit. Durch das ewige „mit Spreizgas“ Anfahren und kurz vor den Kurven Abbremsen lies in etwa auf halber Strecke die Bremswirkung nach. Naja, dachte ich, muss ich eben stärker auf die Bremse steigen. Was mehr oder weniger einer „Spreizbremse“ entspricht. Nun kam auch noch lästiger Geruch von der Beifahrerseite hinzu, so dass ein Anhalten unumgänglich war.

Rauchschwaden quollen aus dem Radhaus und weit und breit kein Wasser zum Kühlen. Nun war guter Rat teuer, was tun……ich dachte an 220 234, die Sonne schien, Top-Wetter, ich sah den Rauch an, jetzt oder nie. Plötzlich die Idee!! Man muss die Bremsscheiben auf 50 Grad runterbieseln (ein Wort, das gewiss nicht im Duden vorkommt). Hosentürl auf – zielen – laufen lassen – Nase zuhalten – ausbeuteln – Hose zu und weiter geht der Höllenritt in Richtung Ziel. Die Bremsen zogen ein bisschen besser als zuvor, es reichte jedenfalls. Endlich am Ziel! Ich stellte das Auto etwas entfernt von mir ab, da nun beide Seiten unangenehm rochen und ich keinen Qualm im Bild haben wollte. Es dauerte nur ca. 10 Minuten, dann kam 56579 wie vermutet mit voller Kraft bei mir vorbei. Geschafft!!

Die Eisenbahn-Rallye hat sich allemal gelohnt.
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